Die Produktionsentwicklung von indirekten Anaphern, Komplexanaphern und Pluralanaphern in schriftlichen Texten von Grundschulkindern

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https://doi.org/10.48693/562
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Title: Die Produktionsentwicklung von indirekten Anaphern, Komplexanaphern und Pluralanaphern in schriftlichen Texten von Grundschulkindern
Authors: Lohmann, Amelie
Thesis advisor: Musan, Renate
Thesis referee: Noack, Christina
Abstract: Im schulischen Kontext stehen Kinder vor der anspruchsvollen Aufgabe, ihre Texte sorgfältig zu planen und kohärent zu gestalten (vgl. Becker-Mrotzek et al. 2014). Beim Schreiben von Texten ist es unvermeidlich, dass Kinder Referenten in den Diskurs einführen und diese nachvollziehbar wiederaufnehmen. Zudem können unterschiedliche Arten von Bündelungen und zusätzliche Spezifizierungen vorgenommen werden. Bei der Auswahl angemessener Referenzausdrücke müssen die Kinder wiederum lernen, den Wissensstand eines unbeteiligten Lesers zu berücksichtigen und so zu schreiben, dass Bezüge für Lesende klar werden. Die Umsetzung dieser vielfältigen Anforderungen stellt für Kinder bereits bei der Produktion direkter Bezüge eine anspruchsvolle Aufgabe mit hoher Komplexität dar (vgl. z. B. Lehmkuhle 2022, Musan/Noack 2014). Welche Entwicklungstendenzen sich hingegen bei der Betrachtung von kognitiv anspruchsvolleren Anapherntypen und damit definitionsgemäß deutlich komplexeren Formen der Wiederaufnahme zeigen, ist bislang kaum erforscht. Dieses Dissertationsprojekt zielt darauf ab, die Produktionsentwicklung von indirekten Anaphern, Komplexanaphern und Pluralanaphern in schriftlichen Texten von deutschsprachigen Grundschulkindern zu beschreiben. Von zentralem Interesse ist dabei, wie sich die Produktion der komplexen Anapherntypen im Laufe der Grundschulzeit entwickelt und wann die komplexen Textphänomene erstmals in den Kindertexten nachweisbar sind. Darüber hinaus werden die Realisierungsformen der komplexen Anapherntypen und der Antezedens- bzw. Ankerausdrücke erfasst, d. h. in welcher Satzgliedfunktion, Wortart und syntaktischen Positionierung die Ausdrücke präferiert auftreten. Außerdem wird dokumentiert, in welcher Textsorte (Erlebnis- oder Fantasieerzählung) die jeweiligen komplexen Anapherntypen vermehrt identifizierbar sind. Die Ergebnisse zeigen, dass indirekte Anaphern bereits sehr früh, d. h. im Verlauf des ersten Schuljahres, zu finden sind, sich aber zu Beginn der Schreibentwicklung nicht immer eindeutig von Referenteneinführungen abgrenzen lassen und mutmaßlich auch darauf zurückzuführen sind, dass Kinder zu Beginn der Entwicklung den Wissensstand eines Lesers noch nicht umfassend berücksichtigen können (vgl. Kapitel 4). Weiterhin konnten überwiegend schemabasierte indirekte Anaphern identifiziert werden und auch bei der Verankerung konzeptueller Mischtypen spielen Schemata eine zentrale Rolle. Komplexanaphern sind in den Kindertexten im Vergleich am seltensten identifizierbar (vgl. Kapitel 5). Die Kinder verwenden zwar in Erlebniserzählungen sehr früh und auch häufig formelartige Komplexanaphern wie „Das war toll“, aber Verwendungen, die über dieses Grundmuster hinausgehen, sind nicht nur deutlich seltener, sondern auch erst deutlich später in den Kindertexten zu entdecken. Grundsätzlich werden Komplexanaphern, formelartig oder nicht-formelartig, von den Kindern größtenteils pronominal realisiert, wohingegen lexikalische Bündelungsprozesse vielen Kindern Schwierigkeiten bereiten. Letzteres ist in ähnlicher Weise auch bei der Produktionsentwicklung von Pluralanaphern zu beobachten (vgl. Kapitel 6). Die Kinder verwenden zwar mehr Pluralanaphern als Komplexanaphern und nutzen pluralische Formen auch einige Monate früher, allerdings finden sich in den Kindertexten überwiegend pronominale Realisierungen, und zwar mit den Pronomina „wir“ und „sie“. Dabei treten deiktische Formen (z. B. „wir“) sehr früh und sehr frequent in Erlebniserzählungen (z. B. „sie“) dagegen später. Lexikalische Pluralanaphern sind erstmals vermehrt in den letzten beiden Klassenstufen zu finden und damit ähnlich spät wie lexikalische Komplexanaphern. Bei allen drei komplexen Anapherntypen zeigen sich die folgenden zwei Tendenzen: Zum einen erhöht sich die Distanz zwischen den komplexen Anapherntypen und ihren Bezugsausdrücken sukzessive von der ersten bis zur vierten Klasse. Zum anderen wird das grammatische Inventar an Ausdrucksmöglichkeiten z. B. hinsichtlich Wortartenkategorien und Satzgliedfunktionen im Laufe der Grundschulzeit zunehmend variabel. Insgesamt deutet die vorliegende Korpusstudie darauf hin, dass Kinder im Alter zwischen 6 und 10 Jahren immer besser dazu in Lage sind, kognitiv anspruchsvolle Anapherntypen und damit komplexe Wiederaufnahmephänomene verständlich in ihren Texten einzusetzen. Die Entwicklung hin zur Erwachsenensprache ist aber am Ende der Grundschulzeit noch nicht abgeschlossen.
URL: https://doi.org/10.48693/562
https://osnadocs.ub.uni-osnabrueck.de/handle/ds-2024071711370
Subject Keywords: Schreibentwicklung; Grundschule; Textkohärenz; referenzielle Kohärenz; indirekte Anaphern; Komplexanaphern; Pluralanaphern
Issue Date: 17-Jul-2024
License name: Attribution-NonCommercial-ShareAlike 3.0 Germany
License url: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/de/
Type of publication: Dissertation oder Habilitation [doctoralThesis]
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